Eine Ära in der Bürgerhilfe geht zu Ende
Nachdem Klaus Prestle 2013 seine Arbeit im Sozialtherapeutischen Dienst niederlegte und seinen wohlverdienten Ruhestand antrat, konnte er nicht zur Ruhe finden. Er begann daher, den Wohnverbund mit seiner Fachkompetenz und Erfahrung in der Begleitung der Bürgerhelfer:innen zu unterstützen. Mit Leidenschaft und Herzblut hat er die Begleitung für Bürgerhelfer:innen aufgebaut und entscheidend dazu beigetragen, dass sie heute da steht, wo sie jetzt ist, so Peter Brückner, Leiter des Wohnverbunds des Erthal-Sozialwerkes. Er habe mit seiner Arbeit dazu beigetragen, dass viele jetzt ein ganz anderes Bild von psychisch erkrankten Menschen haben. So ganz kann Klaus Prestle dann aber doch wieder nicht gehen und wird auch diesmal für seine Klient:innen und Kolleg:innen weiter da sein: diesmal als Bürgerhelfer.
Der Wohnverbund setzt bei der Neubesetzung für die Bürgerhilfe auf ein neues, authentisches Konzept: Die drei ExIn-Genesungsbegleiter:innen Doris Kettner, Isabella Wild und Dominik Schreiter organisieren ab sofort die Bürgerhilfe. Eigentlich unterstützen und begleiten die ExIn-Genesungsbegleiter:innen, die selbst eine psychische Erkrankung hatten oder haben, mit ihrer Erfahrung andere Betroffene. Bei der Bürgerhilfe können sie diese auch in der Arbeit mit den Bürgerhelfer:innen einen vollständigeren und glaubwürdigeren Blick auf die Klient:innen und deren Bedürfnisse ermöglichen. Ihre eigenen Erlebnisse fließen ein und führen zu noch mehr Verständnis und einem unbefangeneren und nicht von Vorurteilen geprägten Umgang mit Klient:innen.
Die Idee der Bürgerhilfe existiert seitdem es psychiatrische Behandlungen gibt. Früher waren es gut situierte Damen, die sich ehrenamtlich um das Wohl der psychisch Erkrankten kümmerten. Heute sind es überwiegend Studierende, die Erfahrungen für ihr Studium im sozialen Bereich sammeln möchten. Nach dem Studium bleiben Sie dem Erthal-Sozialwerk oft treu, stellt Peter Brückner fest: „Wer einmal bei uns Bürgerhilfe geleistet hat und die gute Begleitung erlebt hat, bewirbt sich oft auch bei uns für einen Arbeitsplatz.“ Dennoch wünschen sich die neuen Begleiter:innen der Bürgerhilfe, dass mehr Menschen aus den unterschiedlichen Milieus ihren Weg in die Bürgerhilfe finden: Familienväter und –mütter, die eine aktive Rolle übernehmen können, Frauen und Männer, die fest im Leben stehen und eine Stütze sein können oder auch Senior:innen, die mit ihrer Lebenserfahrung einen neuen Blick einbringen können.
Ein:e Bürgerhelfer:in unterstützt Menschen mit einer psychischen Erkrankung im Alltag. Das können ganz einfache Dinge sein wie beispielsweise einen Kaffee zu trinken, eine Runde spazieren zu gehen oder gemeinsam einzukaufen und zu kochen. „Eine Gruppe geht zum Beispiel regelmäßig gemeinsam Schwimmen. So ermöglicht die Bürgerhilfe Klient:innen einen Lebensbereich, der für sie sonst verschlossen bleiben würde. Aus Angst vor Blicken und unter dem Druck der Öffentlichkeit würden die Betroffenen alleine nicht in ein Schwimmbad gehen. Gemeinsam ist dies möglich“, so Dominik Schreiter, „Es sind oft Win-Win-Situationen, die dabei entstehen können. So repariert, zum Beispiel, ein Klient, aus Dankbarkeit für die ausgiebigen Spaziergänge, das kaputte Fahrrad der Bürgerhelferin.“ Es ist ein Miteinander, ein normaler Umgang – vielleicht auch ein Stück Freundschaft, der da entsteht.